Es gehört fast schon zum guten Ton unserer Zeit: Habe eine Vision!
Sei zielstrebig, klar und entschlossen. Setze dir ambitionierte Ziele, glaube an dich und verfolge deine Träume. All das sind Ratschläge, die wir in Ratgebern, in Motivationsvorträgen oder auf Social Media immer wieder hören. Und sie haben ihre Berechtigung – ohne klare Ziele und eine Vision davon, wo wir einmal hinwollen, fehlt uns die Richtung. Wir laufen Gefahr, von den Anforderungen des Alltags überrollt zu werden, ohne dass wir wissen, wohin unser eigener Weg eigentlich führen soll.
Doch so wichtig ein Plan A ist, so wichtig ist es gleichzeitig, auch einen Plan B in der Tasche zu haben. Denn wer ausschließlich auf ein einziges Ziel fixiert ist, läuft Gefahr, in Enttäuschung und Frustration zu versinken, sobald dieses Ziel ins Wanken gerät.
In diesem Beitrag möchte ich darauf eingehen, warum es für Kinder, Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen entscheidend ist, Visionen zu haben, diese aber immer mit der Fähigkeit zur Flexibilität zu verbinden. Denn nur so entsteht echte Resilienz – die Fähigkeit, trotz Hindernissen, Rückschlägen oder unvorhersehbaren Veränderungen nicht zu zerbrechen, sondern gestärkt daraus hervorzugehen.
Klarheit durch Visionen und Ziele
Visionen geben uns Orientierung. Sie sind wie ein innerer Kompass, der uns hilft, Entscheidungen zu treffen und Prioritäten zu setzen. Wer eine klare Vorstellung davon hat, wo er oder sie hinmöchte, hat es leichter, im Alltag den Fokus zu bewahren.
Für Kinder und Jugendliche können Visionen etwas ganz Greifbares sein: „Ich möchte später Ärztin werden.“ „Ich will im Fußball richtig gut sein.“ „Ich träume davon, ein Instrument zu spielen.“ Solche Bilder sind motivierend und geben Kraft – gerade dann, wenn der Alltag anstrengend ist oder Rückschläge drohen.
Auch wir Erwachsene brauchen diese Klarheit. Im Beruf, im Privatleben, bei Projekten oder persönlichen Zielen: Zu wissen, wofür wir uns anstrengen, macht uns strukturierter und zielstrebiger. Ziele verhindern, dass wir uns im Chaos verlieren, und sie schenken uns auch das schöne Gefühl, unterwegs kleine Meilensteine feiern zu können.
Wenn Plan A ins Wanken gerät
Doch was passiert, wenn unser Plan A nicht so funktioniert wie gedacht?
Vielleicht liegt es gar nicht an uns: Krankheiten, äußere Umstände, wirtschaftliche Veränderungen oder schlicht Zufälle können dazu führen, dass der eingeschlagene Weg plötzlich blockiert ist. Vielleicht stellen wir aber auch selbst fest, dass wir etwas angestrebt haben, das nicht (mehr) zu uns passt.
Gerade Kinder und Jugendliche erleben oft, wie sich ihre Vorstellungen verändern. Der Traum, Profi-Sportlerin zu werden, weicht vielleicht der Erkenntnis, dass ein anderes Talent stärker ausgeprägt ist. Der Plan, einen bestimmten Beruf zu ergreifen, passt vielleicht doch nicht mehr, wenn man mehr über den Alltag darin erfährt.
Wenn wir ausschließlich auf einen einzigen Plan fixiert sind, kann das dazu führen, dass wir im Falle einer Enttäuschung in eine tiefe Sinnkrise stürzen. Wir fühlen uns als „Versager“, weil wir nicht erreicht haben, was wir uns vorgenommen hatten – und verlieren vielleicht sogar die Motivation, neue Wege zu gehen.
Die Stärke von Plan B
Hier kommt Plan B ins Spiel.
Ein Plan B bedeutet nicht, dass wir unseren Traum kleinreden oder schon im Vorfeld aufgeben. Im Gegenteil: Ein Plan B ist Ausdruck von Stärke und Weitsicht. Er zeigt, dass wir verstanden haben, dass das Leben nicht immer geradlinig verläuft, dass Rückschläge dazugehören und dass wir bereit sind, flexibel darauf zu reagieren.
Plan B kann vieles sein:
- eine alternative Berufsvorstellung, falls der erste Traum nicht klappt,
- eine andere Art, ein Hobby oder Talent zu leben, wenn es nicht auf dem „großen“ Weg funktioniert,
- eine andere Strategie, um ein Ziel zu erreichen, wenn die erste sich als ungeeignet herausstellt.
Für Jugendliche kann das heißen: „Wenn es mit dem Leistungssport nicht reicht, möchte ich vielleicht Sportwissenschaft studieren oder in einem Sportverein Trainerin werden.“
Für Erwachsene: „Wenn mein beruflicher Weg an einer Stelle stagniert, schaue ich, welche anderen Türen ich öffnen kann, vielleicht im gleichen Feld, vielleicht aber auch ganz woanders.“
Plan B sorgt dafür, dass wir nicht in Verzweiflung versinken, sondern uns innerlich erlauben, flexibel und neugierig zu bleiben.
Resilienz bedeutet Flexibilität
Resilienz wird oft beschrieben als „seelische Widerstandskraft“. Doch diese Kraft entsteht nicht dadurch, dass wir stur an einem Ziel festhalten und uns durchbeißen, egal wie groß der Widerstand ist.
Echte Resilienz bedeutet vielmehr: anpassungsfähig zu sein. Den Blick auf das Wesentliche nicht zu verlieren – aber die Wege dorthin anpassen zu können. So wie ein Fluss, der auf ein Hindernis trifft: Er bleibt im Fluss, aber sucht sich einen neuen Weg.
Für Kinder und Jugendliche ist das eine ganz zentrale Lernerfahrung: Es ist wichtig, Ziele zu haben, aber ebenso wichtig, nicht am Boden zerstört zu sein, wenn diese Ziele sich verändern oder nicht sofort erreichbar sind.
Visionen + Plan B = Zuversicht
Wenn wir Kindern und Jugendlichen vermitteln, dass es völlig in Ordnung ist, einen Plan B zu haben, schenken wir ihnen etwas ganz Entscheidendes: Zuversicht.
Zuversicht heißt, sich auf das Kommende zu freuen, nicht weil wir alles planen und absichern können, sondern weil wir uns zutrauen, flexibel zu reagieren. Wer weiß, dass es nicht nur einen einzigen „richtigen“ Weg gibt, sondern viele Möglichkeiten, verliert die Angst vor der Zukunft.
Und genau das brauchen wir heute: Menschen, die Ziele haben, aber nicht zerbrechen, wenn sie sich verändern. Menschen, die Visionen entwickeln, aber gleichzeitig wissen, dass das Leben voller Wendungen ist – und dass in diesen Wendungen oft neue Chancen liegen.
Mein persönlicher Blick
Ich selbst habe die Erfahrung gemacht, wie wertvoll es ist, eine klare Vision zu haben – aber auch, wie wichtig es ist, sich nicht ausschließlich daran zu klammern. Im Laufe meines Lebens sind viele meiner ursprünglichen Pläne anders verlaufen, als ich es erwartet hatte. Und doch hat mich genau das zu den Wegen geführt, die sich heute stimmig und richtig anfühlen.
Hätte ich damals keinen Plan B gehabt – oder die Bereitschaft, einen neuen Weg zu suchen – wäre ich an manchen Rückschlägen vielleicht verzweifelt. Stattdessen durfte ich erleben, dass es immer wieder Möglichkeiten gibt, die sich erst zeigen, wenn man bereit ist, den Blick zu weiten.
Diese Erfahrung möchte ich auch meiner Tochter weitergeben: Träume groß, sei klar in deinen Zielen – aber bleib offen für das, was das Leben dir außerdem anbietet.
Eine kleine Wochenaufgabe
Bei soulsuccess geht es genau darum: Kindern und Jugendlichen zu helfen, Visionen zu entwickeln, Klarheit und Struktur zu finden, aber gleichzeitig auch Resilienz aufzubauen, also die Fähigkeit, mit Rückschlägen umzugehen.
Eine kleine Wochenaufgabe, die wir daraus ableiten können:
Schreibe auf, was dein aktueller Plan A ist – und notiere daneben eine mögliche Alternative, einen Plan B. Überlege dir, warum auch dieser Weg wertvoll sein könnte.
Manchmal reicht allein dieser Perspektivwechsel, um eine große innere Sicherheit zu spüren.
Fazit
Plan A gibt uns Richtung und Motivation. Plan B schenkt uns Gelassenheit und Zuversicht. Beides zusammen macht uns stark – und lässt uns voller Vertrauen und Energie in die Zukunft gehen.