Gymnasiallehrerin Caroline Simon beobachtet, dass viele Kinder seit der Corona-Pandemie unter Zukunftsängsten leiden. Die 47-Jährige hat ein Programm entwickelt, das Jugendliche stärkt – und zu Erfolg in der Schule führt.
Interview: Carolin Fries
Gauting – Caroline Simon steht seit 20 Jahren in Klassenzimmern, aktuell unterrichtet die Lehrerin am Carl-Spitzweg-Gymnasium in Germering. Dabei hat sie beobachtet, wie sich die Jugendlichen – konfrontiert mit Leistungsdruck und sozialem Stress – verändert haben. „Viele Kinder haben sich zurückgezogen und sind verunsichert“, sagt die 47-Jährige. Deshalb hat sie ein Programm entwickelt, das Kinder und Jugendliche stärkt und in der Folge auch schulische Erfolge ermöglichen soll. In einer vom Kultusministerium genehmigten Nebentätigkeit begleitet die Gautingerin Schülerinnen und Schüler in der Persönlichkeitsentwicklung.
SZ: Frau Simon, wie erleben Sie ihre Schüler aktuell und warum besorgt Sie das?
Caroline Simon: Massiv bemerke ich Veränderungen seit den Lockdowns. Als die Schülerinnen und Schüler wieder zurück in die Schule gekommen sind, hat man richtig gemerkt, wie sehr sie sich zurückgezogen haben und den Kontakt scheuten. Gleichzeitig gab es eine große Nachfrage nach Terminen bei den Schulpsychologen, den Kindern ging es richtig schlecht. Das habe ich vor 20 Jahren so nicht erlebt als Lehrerin.
Woran liegt das?
Ich denke, dass die Corona-Pandemie die Entwicklung sichtbar gemacht hat, die vorher schon ein bisschen unter der Oberfläche geschlummert hat. Der Druck ist einfach groß, durch Social Media muss man immer schön sein, immer gut ankommen – auch nachts am Handy. Das trägt dazu bei, dass die Kinder immer unsicherer werden und an Orientierung verlieren. Viele Jugendliche haben angesichts des Klimawandels, des Krieges in Europa und der Inflation zudem Angst vor der Zukunft.
Die Schule selbst ist also nicht Ursache, sondern vielmehr Austragungsort?
Der Leistungsdruck in der Schule war schon immer da, nun kommen all die anderen Dinge noch dazu. Die Schulen versuchen natürlich, zu helfen. Es gibt beispielsweise Vorträge, um den Kindern im Umgang mit Social Media ein Handwerkszeug bereit zu stellen. Aber wir können von der Schule nicht verlangen, das alleine aufzufangen.
Aber könnten Schulen nicht noch mehr tun?
Natürlich wäre es schön, sich als Lehrkraft mehr Zeit nehmen zu können, um auf das soziale Miteinander eingehen zu können. Denn wenn stabile und resiliente Schüler in den Klassenräumen sitzen, ist es leichter, Inhalte zu vermitteln und Interesse zu wecken. Sobald es Clinch in der Klasse gibt oder Probleme im privaten Umfeld auftauchen, ist es den Kindern fast unmöglich, neuen Lernstoff aufzunehmen.
Darum kümmern Sie sich nun nebenberuflich.
Ich habe mein Programm als eine Art Soforthilfe konzipiert. Es geht darum, dass sich die Kinder selbst eine Klarheit und Struktur erarbeiten. Es geht um Wellness für die Seele als Basis für Erfolg in der Schule, weil ich denke: Wenn es einem gut geht, kann man auch lernen und Erfolg haben. Und nichts macht erfolgreicher als Erfolg.
Wie funktioniert das konkret?
Es gibt verschiedene Bausteine, man kann analog oder digital arbeiten. Zum Beispiel erstellt man sich sein eigenes Vision Board, formuliert seine Werte oder führt ein Erfolgstagebuch und meditiert. Ich begleite das, indem ich unter anderem Wochenaufgaben stelle, die zu einem positiven Denken führen.
Klingt recht simpel…
Es braucht ein regelmäßiges Training, das belegen auch wissenschaftliche Studien. Erst dann verinnerlicht man seine Grundhaltung. Wer sich zur Gewohnheit macht, jeden Tag aufzuschreiben, wofür er dankbar ist, denkt automatisch positiv. Und wer seine Aufgaben strukturiert, gewinnt Klarheit. Das hilft sowohl Schülern, die akut nicht mehr klarkommen als auch jenen, die keine Probleme haben.
Soll heißen, dass sich schlechte Noten im Zwischenzeugnis nicht nur durch Pauken, sondern auch durch mentale Arbeit bis zum Schuljahresende drehen lassen?
Das ist mein großes Ziel. Aber: Da muss man dranbleiben. Mit zwei Wochen mal positiv denken ist es nicht getan. Das muss man verinnerlichen wie das tägliche Zähneputzen. Erste Erfolge stellen sich frühestens nach drei Monaten ein.
Haben Sie es mit ihren Schülern ausprobiert?
Ja klar. Mit einer neunten Klasse habe ich im vergangen Jahr vor den Sommerferien ein Dankbarkeitstagebuch mit täglichen Aufgaben erstellt, die Kopien wollten alle Schülerinnen und Schüler mitnehmen. Und im P-Seminar haben wir zum Beispiel ein Vision Board erstellt, wie sich die Jugendlichen ihren Weg zum Abitur vorstellen und darüber hinaus. Das macht richtig Spaß. Nur wer sein Ziel kennt, kann es auch erreichen. Im kommenden Schuljahr möchte ich mein Programm als Wahlkurs anbieten. Es wäre bestimmt auch für die Schulpsychologen eine gute Möglichkeit, sich dieser Unterstützung zu bedienen. Ich habe mich auch schon mit ehemaligen Kollegen ausgetauscht, die so arbeiten.
Mehr Informationen:
Die Kursangebote von soulsuccess richten sich an Schülerinnen und Schüler von zwölf Jahren an. (…)
Quelle: Süddeutsche Zeitung. 18.02.2023 Süddeutsche Zeitung Landkreis Starnberg
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